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SARS - ein Überblick
11.04.2003
(MK) Gäbe es die Kriegsmeldungen aus dem Irak nicht, wäre
vermutlich SARS seit Wochen die
Tagesmeldung schlechthin: eine neue Krankheit breitet sich aus, sie ist tödlich, sie
reist mit der Geschwindigkeit von Flugzeugen um den Globus. Man kann sich viel leichter
mir ihr anstecken als zum Beispiel mit AIDS oder dem Ebola-Virus. In Hongkong trauen
sich die meisten Menschen nur noch mit Atemmasken auf die Straße, ganze Wohnblöcke sind
gesperrt. Ist das die gefürchtete neue Killerkrankheit oder wird SARS bald im Griff sein?
Newsatelier bietet einen Überblick über das "Schwere akute Atemwegssyndrom".
SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome, im Deutschen auch Schwerverlaufende atypische Lungenentzündung genannt)
ist eine neue Krankheit mit grippeähnlichen
Symptomen. Es wird vermutet, daß die Erreger von SARS zur Gruppe der sogenannten
Coronaviren gehören. Das Virus scheint im November 2002 in Südchina (Region Foshan in der Provinz Guangdong)
von einem bisher unbekannten Tier auf den Menschen übergegangen zu sein. Als ein möglicher Kandidat für den
ursprünglichen Wirt wird die Kakerlake angesehen.
Feucht-heißes Klima und eine hohe Bevölkerungsdichte wie zum Beispiel in Teilen Südchinas
und Südostasiens stellen ideale Bedingungen für die Bildung neuer Krankheiten dar. Diese
gehen oft einher mit dem Wechsel eines Erregers von seinem ursprünglichen Wirt (für den der Erreger
meist relativ harmlos ist) auf den Menschen.
SARS verbreitet sich unter anderem über Tröpfcheninfektion und ist daher hochansteckend.
Dementsprechend schnell ist die Verbreitung, die von Südostasien und Südchina ausgeht.
Allein in der Handelsmetropole Hongkong hat es bereits über 20 Tote gegeben.
Von dort aus hat sich SARS über Flugrouten in vielen Ländern ausgebreitet:
SARS-Erkrankungen nach Ländern. Stand: 09.04.2003
Land | Infizierte/Todesfälle |
Australien | 1/0 |
Brasilien | 1/0 |
China (ohne Hongkong) | 1279/53 |
Hongkong | 928/25 |
Deutschland | 5/0 |
Frankreich | 4/0 |
Großbritannien | 5/0 |
Irland | 1/0 |
Italien | 3/0 |
Kanada | 91/10 |
Malaysia | 1/1 |
Rumänien | 1/0 |
Schweiz | 1/0 |
Singapur | 113/8 |
Spanien | 1/0 |
Taiwan | 19/0 |
Thailand | 7/2 |
USA | 148/0 |
Vietnam | 62/4 |
Summe | 2671/103 |
(Quelle: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin).
Experten der WHO sind nach Südchina gereist, um die Ausbreitung des SARS-Erregers zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen.
Ihre Ziele sind unter anderem, den ersten Erkrankten und den ursprünglichen Wirt ausfindig zu machen. An der Identifikation
und Analyse des Erregers sind auch deutsche Institute wie zum Beispiel das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in
Hamburg beteiligt.
Bis zum Erscheinungsdatum dieses Artikels hat man den Erreger noch nicht sicher identifizieren können,
auch wenn es inzwischen sehr wahrscheinlich ist, daß es sich um eine Variante der Coronaviren handelt. Es ist noch
nicht geklärt, ob mehrere Erreger gemeinsam zu dem Krankheitsbild des Schweren akuten Atemwegssyndroms beitragen.
Welche Methoden bei der Identifikation eines neuen Krankheitserregers eingesetzt werden, kann
hier nachgelesen werden.
Von einer Ansteckung mit dem Schweren akuten Atemwegssysndrom muß ausgegangen werden
- bei einem Ausbruch der Erkrankung nach dem 1. November 2002 und
- bei Fieber über 38 Grad Celsius und
- bei Symptomen eines grippalen Infekts (z. B. Husten, Atemnot, Kurzatmigkeit) und
- wenn es engen Kontakt mit SARS-Kranken oder einen Aufenthalt in einer SARS-Gefahrenregion
gegeben hat und
- wenn ein Röntgenbefund vorliegt, der auf eine Lungenentzündung oder ein akutes Atemnotsyndrom hinweist
- sowie wenn andere Diagnosen (zum Beispiel nach einem Test auf Rhinoviren) ausgeschlossen werden können
Coronaviren gehören mit einer Größe von ca. 80 bis 160 Nanometern zu den mittelgroßen Viren. Neben Menschen gehören
auch viele andere Säugetiere sowie Vögel zu ihren Wirten. Da ihre Erbinformation aus RNA besteht, haben sie
eine vergleichsweise hohe Mutationsrate.
Bisher waren nur Stämme des Coronavirus bekannt, die beim Menschen milde Krankheitsverläufe verursachen. Die von
ihnen ausgelösten Symptome gleichen einer Erkältung. Neben dem Rhinovirus sind die Coronaviren die häufigste Ursache
für grippale Erkältungskrankheiten. Wegen der Harmlosigkeit der bisher bekannten Varianten hat es noch keine
Versuche gegeben, ein Mittel gegen Coronaviren zu entwickeln.
Die hohe Infektiosität der Viren erklärt sich damit, daß sie sich über Tröpfcheninfektion verbreiten.
Auch im Stuhl von Erkrankten ist der Erreger nachgewiesen worden, so daß Schmierinfektionen ebenfalls möglich sind.
Wegen der geringen Resistenz des Virus gegen Austrocknung nimmt man an, daß es nicht länger als ca. drei
Stunden außerhalb eines Wirtes existieren kann. In einem Wirt könnte es jedoch mehrere Monate (nach einer überwundenen
Infektion) verbleiben. Um das Virus an andere weitergeben zu können, müssen Infizierte bereits Krankheitssymptome
ausgebildet haben.
Die Sterblichkeitsrate unter den Infizierten liegt bei weniger als 5%. Möglicherweise muß jedoch zwischen zwei
unterschiedlichen Krankheitsverläufen unterschieden werden: gerade bei den früh Erkrankten gab es offenbar heftigere
Symptome, eine größere Sterblichkeit und eine noch höhere Wahrscheinlichkeit, die Infektion weiterzugeben.
Bisher hat SARS ungefähr 100 Tote gefordert (Stand der Statistik: 09.04.2003).
Im Vergleich zu Krankheiten wie Tuberkulose und Malaria sind das sehr wenige Opfer. Die Sterblichkeitsrate bei
SARS-Erkrankten ist relativ gering verglichen z.B. mit 100% bei HIV-Infizierten.
Gesamtzahl Todesfälle auf der Erde durch ausgewählte Krankheiten im Jahr 2000:
Krankheit | Todesfälle |
Atemwegserkrankungen | 3.941.000 |
Durchfallerkrankungen | 2.124.000 |
HIV/AIDS | 2.943.000 |
Malaria | 1.080.000 |
Tuberkulose | 1.660.000 |
(Quelle: WHO Annual Health Report 2001).
Die niedrige Sterblichkeitsrate und die geringe Zahl der Toten sprechen gegen die These, daß von SARS eine große Gefahr
ausgeht.
Andererseits kann eine Krankheit wie SARS sehr schwer an der Ausbreitung gehindert werden. Ein von dem Molekularbiologen
Samson Wong aufgestelltes Szenario besagt, daß in zwei Jahren 80% der Bevölkerung Hongkongs mit dem neuen Coronavirus
infiziert sein könnten. Die Überlegung, wieviele Tote es bei einer Sterblichkeit von drei bis fünf Prozent gäbe, wenn sich
ganz Hongkong oder gar die gesamte Weltbevölkerung anstecken würden, verdeutlicht, wie gefährlich eine hochinfektiöse
Krankheit sein kann.
Es ist jedoch zweifelhaft, daß sich wirklich viele Menschen mit SARS anstecken werden: auf einer Pressekonferenz in
Guangdong vom 09.04. erklärten die WHO-Experten, daß das Risiko, sich anzustecken, insgesamt gering sei.
Schon jetzt zeigt sich jedoch eine schädliche Auswirkung des Schweren akuten Atemwegssysndroms: die fernöstliche Wirtschaft
gerät in eine nicht zu unterschätzende Krise. Weltbank-Präsident James Wolfensohn erklärte am 08.04. gegenüber AFP,
daß die Krankheit Schäden auslösen könne, die mit der asiatischen Wirtschaftskrise von 1997 vergleichbar seien.
Von SARS geht ein Gesundheitsrisiko aus, das geringfügig höher ist als das durch eine Grippe. Während die Gefahr durch
letztgenannte Krankheit häufig unterschätzt wird, kommt es wegen SARS in Südostasien zur panikbedingten Lähmung des
öffentlichen Lebens. Fernsehbilder von menschenleeren Straßen, maskentragenden Passanten und gesperrten
Wohnblöcken in Hongkong tragen die Panikstimmung in die Welt. Ein wichtiger Faktor der gerade einsetzenden Wirtschaftskrise ist, daß
sehr viele Geschäftsreisen in die Region abgesagt werden.
Für Deutschland selbst ist ein Gesundheitsrisiko als gering einzustufen. Auch die wirtschaftlichen Probleme in Fernost
stellen hier bisher kein großes Problem dar.
Wer nach Südostasien reisen will oder muß, findet weitere/aktuelle Informationen beispielsweise unter folgenden Adressen:
Neueste Nachrichten zu SARS (Bernhard-Nocht-Institut)
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