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20.03.2003 (WD/RS) Die Nachrichten sind manipuliert und zensiert, die Weltöffentlichkeit wird brüskiert und übergangen.
Der amerikanische Militärschlag gegen den Irak hat heute begonnen.
Die diplomatischen Anstrengungen vieler Staaten konnten dies nicht verhindern.
Die UNO wurde von den USA praktisch an die Wand gespielt.
Millionen Menschen, die mit der Hoffnung auf den Sieg der Vernunft und Fairness weltweit für eine friedliche Lösung demonstrierten, wurden bitter enttäuscht und sind fassungslos.
Die Vereinigten Staaten von Amerika setzen sich über UNO- Resolutionen und das Völkerrecht hinweg.
Was in den Köpfen der Verantwortlichen und ihrer Anhänger vorgeht, verstehen die meisten nicht mehr.
Was bis heute hinter den Kulissen des Weissen Hauses geplant wurde und noch wird, wissen wir nicht.
Dazu haben wir keinen Zugang.
Wir möchten im folgenden die möglichen Denk- und Arbeitsweisen der CIA am Beispiel eines Dokuments aus der Zeit der Cuba-Krise darstellen.
Die sogenannte "Operation Northwoods" ist ein inzwischen veröffentlichtes Geheimpapier aus dem Jahr 1962. Es wurde diskutiert, mit welchen Mitteln man die Öffentlichkeit und die Vereinten Nationen bewusst täuschen und manipulieren könnte, um einen Krieg gegen Kuba zu entfachen.
Es wird exakt dargestellt, wie man mit Hilfe der Medien ein Feindbild produziert.
Der Northwoods-Plan zeigt, wie politische Gegner zu Todfeinden gemacht werden können.
Auch im Falle des Iraks geschah dies über Jahre hinweg.
Trotzdem soll die Recherche Mut machen, weiter zu denken und die kritische Auseinandersetzung voran zu treiben.
NEWSATELIER sprach über den Northwoods-Plan u.a. mit dem amerikanischen Journalisten, Autor und Geheimdienstexperten James Bamford.
1. Die Vorgeschichte
Man schrieb das Jahr 1962. Angesichts der amerikanisch - kubanischen Spannungen wurden beim Pentagon Angriffspläne gegen Kuba geschmiedet. Doch wie sollte man bei den Amerikanern und der Weltgemeinschaft Zustimmung zu einem Krieg erhalten ? Ein Feindbild musste her. Wie leicht könnte man Zustimmung für einen Krieg erhalten, wenn es Beweise für terroristische Aktivitäten der Kubaner gäbe.
Der Generalstab der Streitkräfte unter Führung von General L.L. Lemnitzer verabschiedete einen Plan zum systematischen Aufbau eines Feindbildes, zur Manipulation und Täuschung der Bevölkerung, der auch vor Angriffen gegen die eigenen Landsleute nicht halt machte.
Dieser Plan wurde nie in die Tat umgesetzt - Präsident John F. Kennedy lehnte ihn ab. Dennoch ist schon der Gedanke an einen solchen Plan erschreckend.
2. Das Dokument
General Lyman L. Lemnitzer verfasste am 13.3.1962 ein Memorandum für Verteidigungsminister McNamara [1] und fügte die Pläne des Generalstabs bei. US-Amerikanische Aktivitäten, getarnt als angeblich kubanische terroristische Anschläge, sollten den Amerikanern und den Vereinten Nationen vor Augen führen, welch böses Regime in Kuba herrschte und so die Rechtfertigung für eine Angriff liefern.
Dieses Dokument wurde nach Ablauf der Geheimhaltungsfrist in amerikanischen Archiven [2] entdeckt und erstmals von James Bamford [3] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Das sogenannte Northwoods-Dokument ist im Original u.a. im "National Security Archive" der Universität Washington zu finden und dort für jeden einsehbar [4].
3. Der Inhalt:
Zitate aus dem Northwoods-Dokument:
"Die Weltmeinung und die Vollversammlung der Vereinten Nationen sollten positiv beeinflusst werden, indem man ein internationales Bild von der Kubanischen Regierung zeichnet, das diese als unbesonnen, unverantwortlich und als eine erschreckende und unkalkulierbare Bedrohung des Friedens in der westlichen Hemisphäre erscheinen lässt" [5]
Das war nur die Einleitung zu diesem unglaublichen Plan.
In der Ergänzung zum Anhang A unter Punkt 2 wird vorgeschlagen, "eine Serie gut koordinierter Vorfälle" in und um Guantanamo (amerikanischer Stützpunkt) stattfinden zu lassen, "um den glaubhaften Eindruck zu vermitteln, diese Vorfälle würden von feindlichen kubanischen Streitkräften ausgeführt." [6]
Punkt 2 a. des Plans listet auf, wie diese inszenierten Vorfälle aussehen sollten:
Unruhen anzetteln, US-freundliche Kubaner in kubanischen Militäruniformen den Stützpunkt angreifen lassen,
im Stützpunkt befreundete Kubaner als "Saboteure" festnehmen, Munitionslager im Stützpunkt sprengen, Feuer legen, in der Nähe des Stützpunktes Aufstände anzetteln lassen, Flugzeuge in Brand setzen, ein Schiff an der Hafeneinfahrt versenken und dabei große Feuer verursachen.
Sogar die vorgesehenen Begräbnisse für die Opfer werden erwähnt.
"Wir könnten ein amerikanisches Schiff in Guantanamo Bay in die Luft sprengen und Kuba dafür verantwortlich machen", lautet ein weiterer Vorschlag.
"Wir könnten ein unbemanntes Schiff irgendwo in den kubanischen Gewässern sprengen. [...] Die Anwesenheit kubanischer Flugzeuge oder Schiffe, die nur die Absichten des Schiffes erkunden wollten, könnte als ziemlich eindeutiger Beweis dafür dienen, dass das Schiff angegriffen wurde.[...] Die USA könnten danach eine Luft-/See-Rettungsaktion unter dem Schutz von US-Kampfflugzeugen durchführen, um die Überlebenden der nicht existierenden Besatzung "zu retten". Listen der Opfer in US-amerikanischen Zeitungen würden eine hilfreiche Welle nationaler Empörung auslösen." [7]
Es folgen Vorschläge für eine kommunistisch-kubanische Terrorkampagne, die sich gegen kubanische Flüchtlinge richtet, die in den USA leben. "Wir könnten eine Schiffsladung Kubaner auf dem Weg nach Florida versenken (real oder simuliert)". Auch Anschläge gegen kubanische Flüchtlinge in den USA werden vorgeschlagen, wobei die Opfer zwecks höherer Publizität manchmal verwundet werden sollten.
Bombenanschläge und Festnahmen angeblicher kubanischer Agenten sollten zusätzlich ein Bild der Bedrohung erzeugen.
Nicht einmal vor Angriffen gegen Nachbarländer schreckten die Pentagon-Strategen zurück: "Kubanische" Flugzeuge mit amerikanischen Piloten sollten nachts Brandbombenangriffe gegen Zuckerrohrfelder in der Dominikanischen Republik fliegen, danach sollten sowjetische Brandstoffe gefunden werden.
"Kubanische" Waffenlieferungen, die gefunden oder am Strand abgefangen werden, sollten eine Unterstützung des kommunistischen Untergrundes in der Dominikanischen Republik suggerieren.
US - Piloten sollten mit kopierten MIG-Kampfflugzeugen die zivile Luftfahrt bedrohen, Schiffe angreifen und unbemannte US-Flugkörper zerstören.
Dass auch noch Entführungsversuche gegen die Zivilluftfahrt vorgeschlagen werden, die angeblich von der kubanischen Regierung geduldet werden, überrascht nicht mehr.
Ausführlich wird geplant, "einen Vorfall zu inszenieren, der den überzeugenden Eindruck vermittelt, dass ein kubanisches Flugzeug eine zivile amerikanische Chartermaschine angegriffen und abgeschossen hat, die sich auf dem Weg von den Vereinigten Staaten nach Jamaika, Guatemala, Panama oder Venezuela befand. [...] Im Luftwaffenstützpunkt Eglin wird ein Flugzeug so lackiert und beschriftet, dass es eine exakte Kopie eines registrierten Zivilflugzeugs darstellt, das einer CIA-Organisation im Gebiet von Miami gehört.
Zur einem festgesetzten Zeitpunkt wird das echte Flugzeug durch das Duplikat ersetzt, die Passagiere gehen mit sorgfältig ausgewählten falschen Namen an Bord. Das echte, registrierte Flugzeug wird zu einer Drohne [einem ferngesteuerten Flugzeug] umgebaut.
Die Startzeiten der beiden Flugzeuge werden so abgestimmt, dass sie sich südlich von Florida begegnen. Am Punkt der Begegnung geht das Flugzeug mit den Passagieren auf Minimalflughöhe und kehrt direkt zu einem Hilfsflugfeld auf dem Stützpunkt Eglin zurück. Dort werden die Passagiere abgeholt und das Flugzeug in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Das ferngesteuerte Flugzeug fliegt nach dem gemeldeten Flugplan weiter. Über Kuba sendet es auf der internationalen Notfrequenz einen Notruf und teilt mit, dass es von kubanischen MIG-Flugzeugen angegriffen wird. Der Funkspruch wird durch die Zerstörung des Flugzeugs unterbrochen, die über ein Funksignal ausgelöst wird.
Dadurch werden die Funkstationen der ICAO [International Civil Aviation Organisation - Internationale Zivil-Luftfahrtbehörde] der westlichen Hemisphäre den USA berichten, was passiert ist, und die USA müssen nicht versuchen, den Vorfall zu 'verkaufen' ". [8]
Weitere Vorschläge zielen auf den inszenierten "Abschuss" eines Militärflugzeugs über internationalen Gewässern. Ein Flugzeug aus einem Verband von 4 - 5 Flugzeugen täuscht seinen Abschuss vor und fliegt in niedriger Höhe zurück, während gleichzeitig ein U-Boot oder ein Schiff Flugzeugteile im Meer verteilt.
Die übrigen Piloten des Verbands werden ebenfalls damit getäuscht und können "wahrheitsgemäß" vom Abschuss berichten.
Suchflugzeuge und -schiffe finden danach die Flugzeugteile und bestätigen den Abschuss.
4. Meinungen und Reaktionen zu diesen Plänen:
a) James Bamford:
Der Journalist, Autor und Geheimdienstexperte James Bamford brachte die Northwoods-Dokumente nach der Aufhebung des Geheimhaltungsvermerks an die Öffentlichkeit. Er bestätigte im Interview mit NEWSATELIER, dass er diese Dokumente im offiziellen amerikanischen Nationalarchiv entdeckt hatte. Laut Bamford ist das Dokument, das im National Security Archive der Universität Washington online abgerufen werden kann, nur ein Teil der zur Operation Northwoods existierenden Dokumente.
Bamford schloss nicht aus, dass auch heute mit den Techniken der Operation Northwoods gearbeitet wird. "Deshalb denke ich, dass die Vereinigten Staaten wieder einen Vorwand für den Krieg inszenieren können. [...] Es ist also möglich, aber ich habe keine Beweise", sagte Bamford. "Man müsste etwas sehr Dramatisches inszenieren und so aussehen lassen, als steckten die Iraker dahinter, und es dann als Vorwand für einen Krieg nutzen."
Das vollständige Interview finden Sie hier.
b) Botschaft der USA, Berlin:
"Sehr geehrter Herr D., Vielen Dank für Ihre Fax-Anfrage zur "Operation Northwoods". Bedauerlicherweise müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihnen die Botschaft in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen kann. Bitte wenden Sie sich an das Verteidigungsministerium." [Es folgt Anschrift und Fax-Nummer der Presseabteilung des Pentagons].
[E-Mail der U.S.-Botschaft Berlin an NEWSATELIER vom 12.03.2003]
c) U.S.-Konsulat Frankfurt, Information Resource Center:
"Sehr geehrter Herr D., Vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich "Operation Northwoods". [...] Als Teil der diplomatischen Vertretung der USA in Deutschland können wir zu Ihren weiteren Fragen keine Stellung nehmen. Bitte wenden Sie sich hierfür an die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit des US-Verteidigungsministeriums."
[Es folgt Anschrift und Web-Adresse der Abteilung für öffentliche Nachforschungen und Analysen des Pentagons.]
[Fax-Nachricht des Information Resource Centers beim U.S.-Konsulat Frankfurt an NEWSATELIER vom 13.03.2003]
d) CIA, Washington:
"Vielen Dank für Ihr Fax. Zur Informationen bezüglich Ihrer Anfrage können Sie den Bereich "Freedom of Information Act (FOIA)" unserer Website unter http://www.foia.cia.gov/ besuchen, oder Sie können eine Anfrage gemäß FOIA an Kathryn D., Information and Privacy Coordinator richten" [Es folgt Anschrift und Fax-Nummer der genannten Abteilung des CIA]
[E-Mail der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bei der CIA, Washington, an NEWSATELIER vom 17.03.2003]
e) Auswärtiges Amt, Berlin:
Aus absolut zuverlässigen diplomatischen Kreisen liegt NEWSATELIER eine Bestätigung für die Existenz derartiger Pläne vor. Es wird auf freigegebene und künftig noch freizugebende Dokumente der CIA verwiesen. "Das Schlimme ist, dass es solche Pläne gab, das Gute, dass sie nie ausgeführt wurden", lautet die Einschätzung auf diplomatischer Ebene.
Die Stellungnahmen der Presseabteilung und der Abteilung für öffentliche Nachforschungen und Analysen des US-Verteidigungsministeriums liegen uns noch nicht vor. Bei der Abteilung "Information and Privacy" der CIA haben wir eine Anfrage gemäß Freedom of Information Act eingereicht - auch hier liegt eine Antwort noch nicht vor.
5. Das Fazit:
Dieses Dokument stammt wohlgemerkt aus dem Jahre 1962.
Es dauerte fast vierzig Jahre bis es endlich aus dem top-secret-Status entlassen und veröffentlicht werden durfte.
Wir fragen uns, ob die in der sog. Cuba-Krise geplanten Manipulationen um einen Krieg zu entfachen und vor der Weltöffentlichkeit scheinbar zu rechtfertigen, ein ungeheuerlicher Einzelfall der McNamara -Ära sein können.
Präsident J.F. Kennedy hatte sich diesem Plan widersetzt.
Wir fragen heute, nach Cuba, nach Vietnam und Kambodscha, El Salvador, Nicaragua und Guatemala, dem Golfkrieg und dem 11.September - immer wieder nach den wahren Hintergründen und den eigentlichen Zielen der amerikanischen Politik.
Wir fragen nach den gegenwärtigen Arbeitsmethoden der CIA und der Glaubwürdigkeit der offiziellen Berichterstattung.
Heute morgen begann der Überfall der USA auf den Irak.
Wie immer wurden wir im Vorfeld mit Meldungen gefüttert.
Wir sahen Bilder und Berichte, die Rechtfertigungen für den angeblichen Handlungsbedarf eines amerikanischen Militärschlages im Ausland sein sollten.
Diplomatische Verhandlungen fanden statt, Hoffnungen wurden geweckt und die UNO wurde vorgeführt.
Die Entscheidung stand schon lange vorher fest.
Präsident G.W. Bush hat sie getroffen.
Anmerkungen und Quellen
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