Das Ehegattensplitting

von Dipl-Volkswirt Volker Stöckel

14.10.2002 Nach dem Gleichheitsgrundsatz Art. 3 des Grundgesetzes ist es verboten, gleiches ungleich zu behandeln sowie ungleiches gleich zu behandeln. Dem entspricht auch die im deutschen Steuersystem implementierte Steuerprogression, die fordert, dass höhere Einkommen anteilig höher besteuert werden als niedrigere; hierbei wird davon ausgegangen, dass die notwendige Besteuerung der Einkommen zur Erzielung von Staatseinnahmen von der Leistungsfähigkeit des zu besteuernden abhängen soll. Als logisch ergibt sich hiermit das  Prinzip der Individualbesteuerung. Das bedeutet, dass die Besteuerung  ausschließlich von der individuellen Bemessungsgrundlage (Einkommen)  erfolgen darf.

Als besonderen Fall betrachtet das deutsche Steuerrecht das Konstrukt der  Ehe und Familie als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft. Noch bis 1957 wurde hier statt der Individualbesteuerung das Prinzip der Haushaltsbesteuerung angewendet; die einzelnen Einkommen der Eheleute wurden zusammengezählt und dann auf dieser Bemessungsgrundlage besteuert. Aufgrund des hier durch die Steuerprogression verletzten Gleichheits- satzes wurde es vom BVG jedoch als verfassungswidrig erklärt, denn das gemeinsame hohe Einkommen wurde  anteilig höher besteuert, als wenn die Partner unverheiratet ihre Einkommen getrennt versteuerten. Abgesehen von dieser verbotenen Ungleichbehandlung von Ehe und Nicht-Ehe bot sich so den Paaren ein Anreiz, nicht zu heiraten, was wiederum mit Art. 6 GG kollidierte, da hier der Staat zum besonderen Schutz der Ehe aufgerufen ist.

Es zeigte sich jedoch trotz Abschaffung der Haushaltsbesteuerung, dass nun in vielen Fällen Familien zueinander ungleich behandelt würden. Denn nun ergab sich, dass diejenigen Familien, in denen einer der beiden  Verdiener ein erheblich höheres Einkommen hat als der andere, über die Steuerprogression mehr belastet wurde als wenn beide Partner ein gleiches Einkommen hätten, wobei das Ehegesamteinkommen in beiden Fällen gleich sei. Dieses wurde wiederum vom BVG als verfassungswidrig angemahnt, woraus sich für Familien die Wahlmöglichkeit zwischen dem sog. Ehegattensplitting und der Individualbesteuerung ergab.

Grundidee des Ehegattensplitting ist, dass sich dadurch ein Splittingvorteil ergibt, der gegebene Ungleichheit egalisiert. Dieser Splittingvorteil ist  definiert als Differenz zwischen der Summe beider aus individueller Einkommensbesteuerung  der Ehepartner errechneten Steuerbeträge und der Fiktion, dass jeder Partner die Hälfte des gemeinsamen Einkommens versteuern würde, d.h. zweimal die Einkommens- halbbesteuerung.
 
Ein Splittingvorteil besteht nicht immer, insbesondere dann nicht, wenn die Eheleute sowieso schon exakt gleiche Einkommen haben. Um auch andere Ausnahme- tatbestände diesbezüglich zu berück- sichtigen, lassen sich folgende Bedingungen an einen Splittingvorteil knüpfen:

1. Der Steuertarif muss progressiv sein, zumindest progressive Zonen  aufweisen oder insgesamt konvex sein.

2. Die Einkommen dürfen sich nicht im Bereich einer Linearzone befinden, sonst ist der Splittingvorteil null.

3. Bei gegebenem Ehegesamt- einkommen ist der Splittingvorteil um so größer, je mehr sich die individuellen Einkommen unter- scheiden.

4. Der Splittingvorteil von Ein-Verdiener- Ehepaaren steigt mit dem Einkommen.

5. Der Splittingvorteil ist bei linear auslaufendem Tarif nach oben begrenzt.

6. Prinzipiell kann der Splittingvorteil unbegrenzt mit dem Einkommen wachsen  (kein Spitzensteuersatz).

Unter den möglichen Formen der Ehegattenbesteuerung genügt nur  das Ehegattensplitting den Forderungen der Nichtdiskrimminierung der Ehe (gegenüber der Nicht-Ehe), der Globalbesteuerung (gleiche Besteuerung des Gesamteinkommens gegenüber gemeinsamer Individualbesteuerung) sowie dem möglichen Gerechtigkeitsgrund, dass die Steuervorteile wegen dem Gleichheitssatz möglichst gering ausfallen sollen. Demgegenüber erfällt die Haushaltsbesteuerung nur die Forderung der Nichtdiskrimminierung der Ehe, und die Individualvesteuerung nur die Forderung der Globaleinkommensbesteuerung.

Als Beispielrechnung seien zwei Ehepaare genannt, die beide ein gemeinsames  Einkommen von 100.000 € haben.

Beim ersten Ehepaar verdiene das Geld vollständig die Frau, der Mann  arbeite als Hausmann. Die Frau müsste für ihr hohes Einkommen 15% Steuern zahlen, also 15.000 €.
 
Beim zweiten Ehepaar verdienen beide exakt die gleich Summe von 50.000 €  und zahlen darauf Steuern von 10%, wegen der Progression einen niedrigeren  Anteil, da die Einkünfte geringer sind.

Im Ergebnis zahlt nun das erste Paar 15.000 und das zweite Paar 10.000 €, obwohl beide Paare exakt das gleiche Einkommen haben. Um diesem vorzubeugen, geht der Besteuerer davon aus, dass jegliches Gesamteheeinkommen durch zwei geteilt wird und jeder Ehepartner dieses Anteil versteuert. So ergibt  sich auch für das erste Paar eine Besteuerung von 10.000 €; hieraus berechnet sich der Splittingvorteil (SV) des ersten Paares von:

15.000 € - 10.000 € = 5.000 €.

Bündnis90/Die Grünen plante, in der neuen Bundesregierung den Splittingvorteil auf 10.000 € pro Familie zu begrenzen. Diese Pläne sind bei den Koalitionsverhandlungen jedoch ad acta gelegt worden.

Erwähnt werden soll hier auch das in Frankreich angewendete Familiensplitting, bei dem der Splittingvorteil in gleicher Weise beachtet wird, jedoch zudem  auch die Kinder im Vergleich zu einem Erwachsenen zur Hälfte berücksichtigt werden und somit den Vorteil vergrößern; diese Splittingform gilt dort auch bei Polygamie.

HOME                                                       Gesellschaft