(MF) Die Arbeit in Sellafields Nuklearanlagen in Cumbria (Großbritannien) könnte für die Kinder von dort Beschäftigten schädlich sein, wenn sie während ihrer dortigen Tätigkeit radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren. Eine neue Studie, die von der Atomindustrie selbst in Auftrag gegeben worden war stellt fest, dass diese Gruppe von Kindern ein doppelt so hohes Risiko hat, an Leukämie und Lymphom (Lymphknoten- krebs) zu erkranken wie der Durchschnitt.
Argumente, die die Strahlung in Sellafield für die lokale Häufigkeit von krebskranken Kindern verantwortlich machten, wurden seit 12 Jahren vehement bestritten. Die erste Andeutung, dass es einen Zusammenhang zwischen den Strahlungsdosen , denen die Väter ausgesetzt waren und der Häufigkeit des Vorkommens von Leukämie unter ihren Kindern gibt, wurde bereits 1990 von Martin Gardner, einem Epidemiologen der Universität in Southampton gemacht.
Allerdings wurde diese Hypothese heftig kritisiert. Viele Experten argumentieren dahingehend, das die Zu- und Abwanderung in diesem Gebiet enorm hoch ist und das somit die Steigerung der Rate des Krebsrisikos durch den Bevölkerungswandel zustande kommt und dies die zusätzlichen Leukämieerkrankungen rund um Sellafield erklärt.
In einer neuen, der bisher größten und umfassendsten Studie haben Wissenschaftler von der Universität
in Newcastle die Debatte neu auf den Punkt gebracht. "Garder könnte Recht gehabt haben", so Heather Dickinson von der Forschungsgruppe „Kinderkrebs in Nordengland" der Universität.
Sie und ihre Kollegin Louise Parker verglichen die Schicksale von 9.859 Kindern, deren Väter radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren mit denen 256.851 Kindern, die in Cumbria zwischen 1950 und 1991 geboren wurden und deren Väter nicht in der Anlage tätig waren.
Überall in Cumbria fanden sie, dass das Vorkommen von Leukämie und Non-Hodgkin-Lymphom unter den Sellafield-Kindern doppelt so hoch war. Das Vorkommen war 15 mal so hoch wie in Seascale, einer kleinen Stadt die sich in der Nähe der Anlage befindet. Entscheidend war die Entdeckung, dass das Risiko mit der Strahlungsdosis der Väter ansteigt.
Da es in Seascale ebenfalls durch ständigen Zuzugs- und Abwanderungesbewegungen zu einem raschen Bevölkerungswandel kommt, kann dass höhere Krebsrisiko dort durch diesen Wandel erklärt werden. Allerdings kann ein Bevölkerungswandel nicht die doppelte Häufigkeit des Krebsrisikos unter den Kindern in Sellafield erklären.
Erkenntnisse aus Tierversuchen und Humanstudien verdichten immer mehr die Annahme, dass die Schädigung durch Strahlung von einer Generation an die nächste weiter gegeben werden kann. Allerdings betonen Dickinson und Parker, dass das Risiko gering sei: Lediglich 13 Kinder von Arbeitern aus Sellafield erkrankten in den 41 Jahren an Läukemie. Ausser dem sind die Dosen, denen ein Arbeiter heute ausgesetzt ist, niedriger als in der Vergangenheit und somit nicht vergleichbar für die heutigen Arbeitskräfte.
Mitverantwortlich für die Studie ist unter anderem das Westlake Forschungsinstitut, die von der British Nuclear Fuels (BFNL) finanziert wird, einem staatseigenem Unternehmen, das Sellafield betreibt. „Diese Studie ist sehr beruhigend für unsere Belegschaft und erhärtet die Vermutung, dass das Überschussrisiko für Leukämie vor allem in Seascale langfristig dem Bevölkerungswandel zugeschrieben werden kann", so der Gesundheitsdirektor Paul Thomas von der BNFL.
Lokale Anti-Atomkraftgegner sehen das allerdings anders. "Die BNFL hat jahrelang versucht, Gardners Hypothesen zu diskreditieren", meint Janine Allis-Smith von den Atomkraftgegnern aus Cumbria. "Diese Studie bestätigt ihn und es ist unmöglich für die BNFL, ihn zu ignorieren."
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