Neu im Newsatelier: Die Satire-Rubrik ;-)


In dieser Rubrik tragen verschiedene Autoren mit satirischen Texten bei. Viel Spaß beim Lesen!

Bahnfahren mit Mehdorn...
(HF, 12.06.2003) Endlich! Die Bahn wird privatisiert, umstrukturiert, enttabuisiert, renoviert, tapeziert. Tapeziert? Ja, ja zumindest die Bahnhofshallen... mit neuen Plakaten: "Schnell & Günstig- Tarif", "...seit Weihnachten 2002 reden auch wir vom Wetter" oder "Bahnfahren by call a bike"...
Moooment!? Bahnfahren "by call a bike"? Jawohl, eines dieser wahnsinnig billigen Topservice-Angebote, wo man nicht nur billig fährt, sondern auch total spontan noch einen Sitzplatz buchen kann. Nix mehr mit 'Aufgestanden, Platz vergangen'. Wer dies Programm wählt, darf noch kurz vor der Abfahrt einen Sitzplatz buchen und in ausgewählten Parkhäusern steht ein reservierter Parkplatz bereit. Ran an den Bahnhof, Auto wegstellen und Bahnfahren mit Mehdorn....soweit der Zug eben fährt, dann weiter mit dem Radl. Das hat was, denke ich. Doch da fällt mein Blick auf die nächste "Tapete". Fette Letter verkünden "Plan & Spar". Das TOP TOP-Angebot! Klingt wie der "Film Film" bei Sat 1, denke ich. Mein lieber Herrfraumann, sind das Angebote! Das sind Preise, das nenne ich Reform...irgendwie kommt es mir vor, als verstünde Herr Mehdorn unter Privatisierung, dass er das Geld seiner Kunden "privatisiert"... in seiner Hosentasche. Für solche Reformen braucht man Mut und hart muss man sein ... ja, Hartmut muss man heißen, sonst gelingt es nicht, fremdes Geld in private Taschen zu "zaubern". Ach, immer diese subversiven sozialistischen Angriffe! Nein, nein, toll sind die Tarife. Plan&Spar , Supertarif und natürlich "zuggebunden". Stutz! "Richtig verstanden, junger Mann" sagt eine Stimme neben mir, ich hatte wohl zu laut gestutzt. "Zuggebunden, nicht bahngebunden!" Also nur für diesen einen Zug? Verstehe! Mit meinem Auto kann ich aber fahren wann ich will... ja aber mit dem Flieger nicht...aha.
Später, am Schalter will ich diesen Tarif - 40% Nachlass - "Der is heute aus" höre ich eine fröhliche Stimme durchs Gelochte schallen, "ham se nicht gelesen...solange der Vorrat reicht,.... steht drunter". Tja, Schnäppchen sind schnell weg oder wer zu spät kommt, den bestraft Herr Mehdorn! Plan heißt ja, man soll einen Plan haben, planen, erst planen, dann buchen und dann verreisen. Dann gibt's Rabatte und Schnäppchen, da wird einem schwindelig! Frühbucher-Tarif: mindestens 1 Tag vor Reiseantritt 10 % Rabatt, Hin- und Rückfahrt einzeln buchbar. Donnerwetter,... aber es kommt noch besser: für Nochfrüherbucher mindestens 3 Tage vor Reiseantritt 25 % ... gilt aber nur für Hin- und Rückfahrt! Was ? Für Amfrühstenbucher mindestens 7 Tage vor Reiseantritt 40 % ? Das gibt's doch nicht! Doch, ist nur ein kleiner Haken dabei, gilt nur für Hin- und Rückfahrt und wenn eine Nacht von Samstag auf Sonntag dazwischen liegt, also Wochenendbindung! Nicht Wochenentbindung, die "Entbindung der Woche" - die steht in der "BamS" . Zugbindung, Wochenendbindung ...gebunden ...und geknebelt? Rücktritt nur bei Strafe möglich! Ich muss aber heute nach Frankfurt und wieder zurück, nicht morgen oder in sieben Tagen.
Der Knüller: Normalbucher, so wie ich, also der einfältige Spontanverreiser, buchen von Hannover nach Frankfurt "Einfach" für EUR 62,20, aber "Hin und Rück" für sage und schreibe EUR 124,40. Das ist ein Angebot! Doch halt, die Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft, denn "wenn se den langsameren Zug nehmen, kostet das 4,40 weniger" sagt die gelochte Stimme immer noch fröhlich. Hinter mir in der Schlange klingt's nicht ganz so fröhlich...'geht's denn gar nicht weiter??" Doch die Stimme, die wie gelochtes Pergament klingt, fährt fröhlich schnarrend fort "wer länger fährt, fährt billiger". Das hätte von Konfuzius sein können, so wie "wer länger lebt, hat mehr vom Leben".. Natürlich habe ich keine BahnCard. Damit die sich lohnt, muss ich sechs mal langsam nach Frankfurt fahren. Ich will aber nur einmal, schnell, heute.. und wieder zurück. Ich lande also auch nie im BahnCard-Comfort-Programm, denn dazu müsste ich in 12 Monaten 2.000,- Euro mit der BahnCard verfahren. Bahn-Comfort-Programm ...irgenwie schaltet mein Gehirn sehr fokussiert auf "Comfort", von da weiter nach "komm fort"... nur fort... von hier, egal ob mit Zug, Fahrrad oder zu Fuß!. Ich widerstehe diesem Drang. Die gelochte Schnarrstimme bannt mich: "Wenn Sie aber einen anderen als den gebuchten Zug nehmen möchten, müssen Sie eine sogenannte "Plan&Spar-Zusatzkarte" kaufen. Diese kostet die Differenz zwischen dem Plan&Spar-Preis, den Sie gezahlt haben und dem Normalpreis, den Sie gezahlt hätten bei Kauf bis kurz vor Abfahrt des Zuges zuzüglich einer "Strafgebühr" von 45,00 Euro." Meine Qual über all das Nichtgesparte und die vielen Strafen vergrößert sich spürbar, breitet sich in mir aus, schmerzt schon:
Gruppentarife, Gruppenspartarife, Gruppenplan&Spartarife, 14 Tage vor Reisebeginn 70 % (Gruppe&Spar70), 7 Tage vor Reisebeginn 60 % (Gruppe&Spar60), vor Abfahrt des Zuges 50 % (Gruppe&Spar50). "Aufhören" denke ich und fühle mich so gelöchert wie die Membran vor mir. Außerdem kommen mir alle die in den Sinn, die gerade jetzt meinetwegen den Zug verpassen, auch die 14-Tagefristverpasser, die jetzt Säumniszuschlag zahlen müssen und die Strafen der Zugverpasser wegen Nichteinhaltung der Zugbindung.
Doch nun folgt als Intermezzo der Imageteil der revolutionären Reform:
"Sieh da, sieh da Timotheus, die Mehriche des Dornikus!" deklamiert Schnarrstimme. Die Kraniche der Schiene! Die erdnahen Tiefflieger! Vom Flugzeug haben wir's gelernt, da kommen wir ja auch her, der Franz und ich, der Koch! Hartmut hat uns geholt, damit die Bahn fliegen lernt.
"Wir befinden uns in der Anfahrt auf Frankfurt"... falsches Deutsch, deutscher Service - d.h. man wird vom "Flugbahnpersonal" nicht belästigt - und unbequeme Sitze wurden schon eingeführt. ‚Wahrscheinlich darf man im Comfortprogramm den eigenen Sessel mitbringen?' schießt es mir durch den Kopf und merke, dass ich meinen Sessel jetzt schon gut gebrauchen könnte.
"Wir klagen ja jetzt auch gegen die Billigflieger!" triumphiert gerade die Lochschnarrstimme. "Ja, ja unser Franz! Der kann's!" Und: "Die Bahn reagiert jetzt mit eigenen Sondertarifen auf die fliegende Konkurrenz!" "Frau Brunotte ist ne Flotte."
Das war ein "Tarif" zuviel! ...für mich, Frau Brunotte, ....ich hatte auch schon meinen Taschenrechner rausgeholt und heimlich gerechnet, was mich die Fahrt mit meinem Auto kostet - 600 km Hin u.Rück - 10 ltr. pro 100 km, EUR 10,40 (10ltr. Normal) x 6 = 62,40 Hin und Rück für den Normalbuchspontanverreiser Hajo, und noch 6 Plätze frei! Danke! Verwirrt und jetzt auch wütend entwich ich ohne Dank, das bedrohliche Murmeln der Warteschlange der Frühbuchspartarifschnäppchenjäger im Rücken... und eine etwas beleidigte Schnarrstimme, die hinter mir her rief: "Aber Sie können doch auch... in der Gruppe.. zwei sind schon eine...fragen Sie doch mal rum...hier."
Mehr hörte ich nicht mehr, doch jetzt verstand ich, weshalb in der Bahnhofsvorhalle auch eine lange Menschenschlange stand. Hitchhiking mit Mehdorn, thommelfinger (dän., sprich: th wie ti ätsch, übers.: Daumen), trampen, also per Anhalter... "suche Gruppenfahrer nach Hünxe in Westfalen", "14-Tagebucher nach Castrop-Rauxel sucht Gruppenanschluss", sie hatten die Schilder um den Hals gehängt oder hielten sie, an eine Latte genagelt in die Höhe. Dann entdeckte ich sogar den ersten Profiteur: er hatte sich mit den Tagesschnäppchen "solange der Vorrat reicht" eingedeckt und verkaufte sie mit Aufschlag, bot auch organisierte Gruppenreisen an ... für die Spontanbucher und die, die meinetwegen zu lange in der Schlange gestanden hatten. Ich fragte nach. " Dat lohnt sich, Mitfahrkarten für 50% und fünfe können mit. Ich krieg fuffzehn!" Ich verstand jetzt auch den Begriff "Anhalter Bahnhof".
Aber erst mal nach hause, Kaffee, nach Fassung ringen ...sie wiederfinden und dann losfahren. Von Hannover nach Frankfurt... mit dem Auto ... fünfeinhalb Stunden, davon drei am Bahnhof, unterwegs schöne Musik aus meinem Hifidelity-Blaster. Bad Homburg vobei... hurra, ich "befand mich in der Anfahrt auf Frankfurt". "Bitte anschnallen!". Ich konnte schon wieder witzeln. Aus dem Autoradio kamen die Nachrichten: "Der Umsatz im Personenfernverkehr ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,9 Prozent auf 433,3 Millionen Euro eingebrochen. Herr Mehdorn verweist auf konjunktur- und witterungsbedingte Ausfälle."
Ja , Junge... , denke ich , bei so schönem Wetter steht keiner gern am Bahnhof rum. Mein Mitfahrer, den ich am Bahnhof aufgegabelt hatte, machte allerdings den "Effe". Dann die Meldung: "Personenverkehrsvorstand Christoph Franz und der Marketingvorstand Hans-Gustav Koch, stehen unmittelbar vor der Ablösung". Sie lernen gerade, was fliegen heißt, ging mir durch den Kopf. Anna Brunotte, die Jeanne d'Arc der Bahntarife, auch!
Mehdorn greift durch, entzündet den Scheiterhaufen ...der richtige Mann, hart muss man sein und Mut muss man haben, hahaha...und dann der Schock: sein Vertrag wird bis 2009 verlängert... ich verreiße fast das Steuer... ein Beinahunglück. Vielleicht doch besser Bahnfahren mit Mehdorn? Nein, nein, lieber nicht...und außerdem Beinahunglück und Bahnunglück ... klingt zumindest ähnlich.

Und wer jetzt noch nicht satt ist, dem serviere ich noch mein bekanntes Dessert

" Brunottierte Mehdörnchen, ausgefranzt, gekocht und flambiert"

(für zwei Personen zum Bahncard-Spartarif)
.... für 100 Euro Normalpreis pro Person: "Zu zweit zahlt die zweite Person 50%, zusammen also statt 200 Euro 150 Euro. Davon ab gehen 40 % für "Plan & Spar40" weil sie eine Woche vorher buchen. Bleiben also noch 90 Euro. Nun kommen die zwei Bahncards zum Zuge und sie zahlen noch 67,50 Euro für die Fahrt. Sie sehen also: Die größte Ersparnis bringen in dem Beispiel der Mitfahrertarif und der Frühbucherrabatt mit je 50 Euro. Die ZWEI BahncardS hingegen nur noch 22,50 Euro. Macht für jede Bahncard die 60 Euro kostet, eine Ersparnis von 11,25 Euro für die Fahrt. Und nun fröhliches Würgen.

Diesmal... und Schuld sind die Bienen!
(HF, 12.06.2003) Ja, jetzt wissen wir es: Schuld an allem sind nur die Bienen! Sie fliegen dieses Jahr nicht mehr so fleißig wie sonst, nicht etwa weil sie zu lange auf die restliche deutsche Arbeiterschaft geschielt hätten, nein, nein nicht deswegen... sie sind einfach tot! Gestorben!
Eine böse kleine Milbe aus dem asiatischen wurde hier eingeschleppt, mit ausländischen Bienen zusammen, die zur Aufbesserung der Arbeitsmoral der deutschen Biene von habgierigen Imkern eingeführt wurden. Das kommt davon, wenn man im Ausland produziertes unbesehen hier einsetzt. Die Biene "made in Germany" ist halt doch ein Qualitätsprodukt! Nachdem die weißen deutschen Tauben merkelwürdig mutiert sind durch das Virus belli americanus und deshalb nicht mehr fliegen, sind nun die deutschen Bienen mit ihrem sprichwörtlichen Bienenfleiß dran. Bedroht und dahingerafft sozusagen durch eine Seuche, einer SARS bienus milbae. Ja wenn es nur die Bienen wären! Aber da hängt die ganze deutsche Wirtschaft dran. Die Biene bestäubt die Apfelblüten im Harlinger Land ebenso wie die Akazien, die ja so leckeren Honig hergeben, oder besser: jetzt eben nicht mehr hergeben. Das hat dramatischen Einfluss auf den Sex der Deutschen... nichts mehr mit der Ziffer 69. Die Branche befürchtet erhebliche Umsatzrückgänge auf Grund der nachlassenden sexuellen Betätigung der deutschen Bürger. Der Gynäkologe nebenan hat schon vorsorglich eine MTA entlassen - vorbeugen ist besser als pleite gehen.
Raps, Roggen, Birnen, alles wird ausbleiben, das heißt: kein Öl, kein Brot und kein Obst, keine Weintrauben - fast hätte ich sie vergessen. Kein deutscher Wein mehr, oh Gott, oh Gott! Ja, die Liste ist unendlich lang und die deutsche Fastenzeit wird sich in der nachkoholischen Ära dramatisch verlängern. Nicht mehr drei Wochen Wolfgangsee! Rezessiver nüchterner Dauerzustand.
Da hoffen die Imker jetzt auf einen harten Winter, der die Milbe zerstören würde! Was heißt hier hoffen? Ich weiß, dass der nächste Winter hart wird, ob mit oder ohne Bienen.
Warum trifft das nicht mal Kolumbien mit seinen Mohnfeldern? Da sind die Bienen resistent! Nur die deutsche Biene ist so anfällig gegen solche Krankheiten, das ist das Problem.
Die Bauern entlassen ihre Knechte, der Handel schließt die Pforten, die Bäcker backen nur noch ganz kleine Brötchen! Ja, ja, ihr müsst nur mal die Verkettung weiterdenken, immer mehr Arbeitslose, die nichts kaufen, die nicht mehr Auto fahren und deswegen auch die Renten schädigen. Harter Kruppstahl wird nicht mehr gebraucht, Blech wird nicht mehr gebraucht, das wird nur noch geredet.
Das Hochwasser bei Dresden war dagegen nur eine Bagatelle! Geht's der deutschen Biene schlecht, geht es ganz Deutschland schlecht und kein Insektizid weit und breit, was da helfen könnte, denn was der Milbe schadet, bringt auch die Biene um. Da ist es abzusehen, wann wir unseren letzten Zwickel umdrehen und dann folgen logischerweise die Pleitgen: "Wir wussten es immer schon"!
Bei einem harten Winter und den wenigen Bienen kann es auch keine Eicheln geben, ja, auch die deutsche Eichel ist in Gefahr, sie war bekanntermaßen das exzellenteste Schweinefutter. Auch die Schweine müssen jetzt sparen, müssen richtige Sparschweine werden. Dabei können sie allerdings nicht fett werden, denn dies Sparen ist nicht gleichbedeutend mit "Eicheln auf die hohe Kante" legen, sondern heißt verzichten, fasten, vom Munde absparen, die Schnauze nicht mehr so voll nehmen. Abspecken ist angesagt, verschlanken, und flexibel müssen wir werden bei der Suche nach neuen Nahrungsquellen. Die weißen gebratenen Tauben fliegen uns nicht mehr in den Hals und deshalb müssen wir mobil werden, auf Nahrungssuche gehen: das Wandern ist des Müller's Lust... zu Fuß durch Deutschland auf der Suche nach der täglichen Mahlzeit. Eine Scheibe Brot und ein Glas Milch wird zur Köstlichkeit! Und dafür tun wir alles! Also auf, auf, Mädel und Burschen, das warme Wams angezogen, den Gürtel eng geschnallt und frisch drauf los marschiert, soweit die Füße tragen... und solange es geht. Arbeit gibt es überall, nur nicht da, wo wir gerade sind. Wahrscheinlich werden wir auch die deutschen Grenzen überschreiten müssen, am besten in Richtung Osten, denn da werden wir vertraute Firmennamen wiederfinden und die uns so lange vertraute Arbeit. Da heißt es nicht mehr "Made in Germany", sondern "Nomade aus Germany"! In diesen Ländern fliegen die Bienen noch und bestäuben die Existenzgrundlagen und produzieren nebenbei auch noch den leckeren Honig. Auf nach Osten, Volk ohne Brot! Dahin, wo Milch und Honig fließen. Gewiss ist immerhin eins: wenn die letzte deutsche Biene gestorben ist, stirbt auch die letzte saugende Milbe. Und dann werden wir mit Bienenfleiß neue Bienen züchten und dann fangen wir noch mal ganz von vorne an und dann machen wir alles besser und dann bauen wir wieder einen Juliusturm und dann sparen wir in der Zeit, denn dann haben wir in der Not.

 

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