26.03.2005

Arbeit, wem Arbeit gebührt

(VS) Die Entrobotisierung des Menschen ist schon lange im Gange. Roboter lösen in industriellen Betrieben die menschliche Arbeitskraft ab, sind zuverlässiger und billiger, schlicht effizient. Seit einigen Jahren findet sich diese Entwicklung auch im Dienstleistungssektor ein. Zunächst im privaten Einsatzbereich steht dem Einsatz im gewerblichen nichts mehr im Wege. In japanischen Entwicklungslabors vollzieht sich "eine atemberaubende Entwicklung vom Industrie-Roboter hin zu mechanisch-elektronischem Servicepersonal".

Ob beim Aufräumen im Haushalt oder bei der Betreuung alter Menschen, Armeen von Robotern sollen künftig dem Menschen fürsorglich und tröstend im Alltag zur Seite stehen. Dem Elektronikkonzern Matsushita Electric schweben metallische Wesen vor, die dem Menschen in verschiedenen Lebenslagen helfen, für seine Sicherheit sorgen und sich sogar mit ihm unterhalten können. Bereits 2010 soll das Reifestadium für den praktischen Einsatz dieser Roboter erreicht sein. Die eigentliche Markteroberung beginnt nach Schätzungen mit der Weltausstellung 2005 in Japans Provinz Aichi; hier sollen ab dem 25. März 2005 rund 100 Roboter der nächsten Generation ihre Fähigkeiten präsentieren. "Dazu zählen gute Roboterfeen, die als Babysitter aushelfen oder als 'Empfangsdamen' dienen können, sprechen oder sich älteren Mitmenschen als Rollstuhl anbieten". Toshitada Doi vom japanischen Elektronikriesen Sony meint: "Die Metallwesen geben den Menschen Seelenfrieden und können ihre Sorgen lindern". (SZ, 28.02.2005) Bereits seit Beginn des Jahrtausends tragen in japanischen und amerikanischen Spitälern autonome Roboterwagen das Essen aus, Essroboter für Tetraplegiker führen über Kopfbewegungen Gabel und Löffel an einem elektromechanischen Arm. 2001 produzierte der japanische Automobilkonzern Honda Motor eine erste kommerzielle Version seines Roboters P3, der erstmals menschliche Züge aufwies. Schon damals wurde der Einsatz in der Altenpflege, im Haushalt, bei Rettungs- und anderen gefährlichen Einsätzen prognostiziert. 2003 entwickelte Mitsubishi Heavy mit "Wakamaru" einen metergrossen Roboter für allein lebende Senioren und Kranke, der ab April 2005 für rund 7.800,- Euro auf den Markt kommt. Fujitsu entwickelte 2004 den Hoap-2, der dem humanoiden Roboter näher kam, so wie Honda den Asimo, der 34 menschliche Bewegungen beherrscht. Fachleute glauben gar an Helfer in Form einer dreidimensional in den Raum projizierten Lichtgestalt oder eine Truppe von Cyberwesen, die dem Computernutzer zur Hand geht. Hiermit einhergehend wird die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit beim Menschen fließender, wie etliche Zukunftsforscher meinen. Auch Deutschland beteiligt sich an der Entwicklung. Am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) entsteht mit dem "Care-O-bot" ein universeller Haushaltshelfer, der älteren Menschen länger die Unabhängigkeit bewahren könnte. In Zukunft würden solche Roboter verbreitet wie heutzutage PC's.
Die in der westlichen Welt oftmals prophezeiten Kriege, die sich zwischen Menschen und Maschinen entwickeln würden (Matrix, 'I, Robot'), werden von Experten belächelt. Rodney Brooks, Direktor des Instituts für Künstliche Intelligenz am Massachussetts Institute Of Technology (MIT), kann sich nicht vorstellen, daß Roboter ernsthaft gefahrvoll gebaut oder programmiert werden. Zudem würden ja schon heute Robotertechnologien in menschliche Körper implantiert, wie u.a. künstliche Hörschnecken, und diese Entwicklung befasse sich zur Zeit mit dem Versuch, Blinde mit einer zum Gehirn verbundenen Kamera sehend zu machen (bis voraussichtlich 2010 marktfähig), viele Menschen würden wahrscheinlich noch zu ihren Lebzeiten eine Internetverbindung in ihren Gehirnen haben, und schon heute gibt es die Möglichkeit, mit den Gedanken einen Cursor zu bewegen.
Die Ängste, die vor allem in der westlichen Welt der Robotisierung entspringen, lassen Roboter den Menschen als mechanische Helfer, weniger als emotionale Wesen erscheinen. Viel offener gehen die Japaner an diese neue Technologie heran; sie werden deshalb voraussichtlich auch den Weltmarkt hier beherrschen.
Die US-Armee plant, bis 2010 ihre Bodentruppen durch Robotersoldaten zu ergänzen. Es muß jedoch nicht negativ sein, wenn sich statt Menschen zukünftig Roboter bekriegen. Und die spezifische deutsche Angst vor Robotern als Arbeitsplatzvernichtern hat genau betrachtet einen vergleichbar ähnlich positiven Aspekt. Durch die Substituierung menschlicher Arbeitskraft werden Arbeitsplätze abgebaut, jedoch höhere geschaffen. Mittelfristig können die Menschen sich mehr dem privaten Leben widmen, anstatt ihre Lebenszeit zu verarbeiten. Das bedingt, daß neue Methoden zur Verteilung gefunden werden, die von der Bevölkerung als gerecht empfunden werden. Als Beispiel sei der beschriebene Prozess der Erneuerung der Generationen im Artikel Hartz IV geht in die falsche Richtung genannt; dabei geht es weniger um die Umverteilung dessen, was schon ist (Vermögen) als dessen, was sein wird (BIP).


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