16.08.2005

Die Grüne Gen-Technik - Teil 1: Die Mär vom Wohlstand der Landwirte

(MF) Immer wieder argumentieren die Befürworter der grünen Gen-Technik, dass gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO, das "O" steht für Organismen) den Bauern neuen Wohlstand bescheren würden, insbesondere Bauern aus der sog. dritten Welt. Doch schon jetzt zeichnet sich das genaue Gegenteil ab: Bauern verarmen und werden in eine nie da gewesene Abhängigkeit geführt. Der Konzern Monsanto, der derzeit führend auf dem Markt der GVO ist, hat dabei besonders perfide Methoden entwickelt.

Bislang konnten Bauern einen Teil ihrer Ernte zurückbehalten, um diesen dann erneut auszusäen. Diese klassische Methode des Anbaus ist besonders wichtig in der Agrarwirtschaft der dritten Welt, da die dortigen Bauern oft nicht das Geld erwirtschaften, um neues Saatgut erwerben zu können. Somit ist in diesen Regionen das klassische Anbaukonzept geradezu überlebensnotwendig. Damit jedoch ist es bei dem Anbau von GVO vorbei.
Es wird den Bauern vertraglich verboten, Samen aufzubewahren und diese erneut anzusäen oder auch nur zu verschenken. Gleichzeitig müssen sich die Bauern verpflichten, das komplette Roundup-System, also die GVO samt dem Herbizid Roundup, zu erwerben. Für jede neue Aussaat muss somit neues Saatgut erworben werden. Für Bauern aus der dritten Welt sind das Konditionen, die die dortigen Bauern nicht nur an den Rand des Ruins treiben dürften, sondern auch deren Existenzen vernichten könnten.

Der Fall Indonesien

Wie schnell das gehen kann, hat Monsanto in Indonesien eindrucksvoll bewiesen: Der Konzern hatte den indonesischen Baumwollpflanzern wachsenden Wohlstand versprochen, wenn diese die angeblich umweltfreundliche, gentechnisch veränderte Baumwolle anpflanzen würden. Damit die Bauern Saatgut und Herbizide (auch hier wurde den Bauern nur das Gesamtpaket verkauft) finanzieren können, sollten diese Bauern Kredite von einer Tochtergesellschaft erhalten, um mit den Anbau von Monsantoprodukten beginnen zu können und damit zu reichlichem Wohlstand zu gelangen. Auf dieses Versprechen bauten viele Bauern und erlebten ein Desaster besonderer Güte, rund 70% der Bauern standen vor dem Ruin, wie die britische Non-Profit-Organisation Institute of Science in Society berichtete. Was war passiert?
Schon im ersten Pflanzjahr zeigte sich, dass die Baumwolle zwar gegen einen Schädling resistent war, aber andere Schädlinge fielen über hunderte Hektar der Anpflanzungen her und vernichteten einen Großteil der Pflanzen. Bereits im ersten Jahr konnten die Bauern somit ihre Kredite nicht zurückzahlen. Aber es kam noch schlimmer. Denn trotz dieser Situation verdoppelte Monsanto im zweiten Pflanzjahr die Preise für das Saatgut und drückte gleichzeitig die Preise für den Aufkauf von Baumwolle aus dem Anbau von GVO.
Dieses Vorgehen führte zu derart starken Bauernprotesten, dass Monsanto sich 2003 ganz vom indonesischen Markt zurückzog.

Aber damit ist der Fall in Indonesien noch nicht abgeschlossen. Denn Monsanto hatte im Jahr 2002 in Indonesien versucht, hochrangige Beamte mit 50.000 US-Dollar zu bestechen, um ein "günstiges Klima" für ihre GVO-Produkte zu schaffen. Laut us-amerikanischen Ermittlungsbehörden hatte Monsanto in Indonesien über 100 Beamte mit rund 700.000 Dollar bestochen. Dazu wurde eine eigens eingerichtete Consulting-Firma betrieben. Die als "Berater-Honorare" deklarierten Bestechungsgelder wurden im Übrigen auch durch den völlig überteuerten Verkauf von Pestiziden in Indonesien finanziert. Monsanto wurde jetzt in den USA zu 1,5 Millionen Dollar verurteilt, da dieses Gebaren gegen die Anti-Korruptionsgesetze der USA verstößt.

Die Lage der Bauern in den USA

Aber nicht nur Bauern in der dritten Welt müssen die Macht des Konzerns fürchten, wenn es um deren Produkte geht. Auch für Bauern aus Kanada und Amerika kann der Anbau oder sogar der nicht-Anbau ungeahnte Folgen haben. Hinter vorgehaltener Hand berichten Bauern immer wieder davon, dass Monsanto die Bauern in den USA regelrecht bedroht. Laut über das Geschäftsgebaren zu reden traut sich dort jedoch niemand, die Furcht vor Repressalien ist groß. Die Flut der Klagen, die Monsanto derzeit gegen Bauern führt, hat sich für den Konzern als eine neue Einnahmequelle erwiesen. Allein aus den Gerichtsurteilen gegen US-Bauern konnte Monsanto 15 Millionen Dollar einnehmen, wie hoch die Summe ist, die bei Vergleichen herum kommen, ist unbekannt, dürfte aber ungleich höher sein. Zu diesem Ergebnis kam das US-Zentrum für Nahrungsmittelsicherheit (CFS) mit Sitz in Washington, die seit langem in Sachen Monsanto recherchieren.

Aufschlussreich sind besonders die Aussagen, die Gary Rinehart dem CFS gegenüber machte. Rinehart ist Kaufmann und kein Landwirt, weswegen er ohne Furcht über die Methoden von Monsanto berichten konnte. In seinem Laden verkauft er Dinge des täglichen Bedarfs, sein Angebot reicht von Kurzwaren bis zu Haushaltsgeräten. In diesem Laden suchten ihn "Ermittler von Monsanto" auf. Man wolle sich mit Rinehart über die illegal angebauten GV-Soja-Bohnen einigen. Ihm wurde klar gemacht, dass Monsanto mächtig sei und er keine Chance habe. Obwohl es offensichtlich war, dass Rinehart kein Bauer ist, musste dieser erst einen Anwalt einschalten, um diese Herren, die ihm "großmäulig" entgegentraten, loszuwerden.
Rinehart berichtete weiterhin, dass dieselben Ermittler den Bauern in seiner Umgebung gegenüber genauso auftreten, nur mit dem Unterschied, dass diese tatsächlich Bauern sind und damit die "Ermittler" nicht mehr loswerden können. Er berichtete, wie die Bauern in der Umgebung regelrecht drangsaliert wurden, ihnen klar gemacht wurde, wie groß und mächtig Monsanto sei und dass sie vor Gericht gar keine Chance hätten.

Das Vorgehen des Konzerns ist laut CFS immer das gleiche:
  1. Ermittlungen gegen Bauern
  2. außergerichtliche Vergleiche
  3. Prozesse gegen Bauern, wenn diese dem Vergleich nicht zustimmen.
Zunächst tauchen die sog. "Ermittler" auf, die von "einschüchternden" Einschreiben begleitet werden. Dann werden "Proben" von den Feldern gezogen. Aus Angst stimmen die meisten Bauern dann den erzwungenen Vergleichen zu. In North-Carolina wurde ein Fall bekannt, wo ein Bauer 1,5 Millionen Dollar an Monsanto bezahlte. Die Angst ist berechtigt: Über 90 Klagen hat Monsanto gegen Bauern eingereicht, die teuerste Entscheidung die ein Gericht zu Gunsten von Monsanto fällte, belief sich auf 3.052.800 Dollar, insgesamt wurden Monsanto bis jetzt 15.253.602,82 US-Dollar zugesprochen. Viele Bauern unterschreiben Saatgutverträge, weil die Zahlungen an den Konzern dann geringer ausfallen, wobei sich der Schluss aufdrängen könnte, dass dieses eine gute Strategie ist, um sein Saatgut unter die Bauern zu bringen.

Der CFS fasst Zusammen:

"Kein Bauer kann sich vor Monsantos langem Arm sicher sein. Bauern wurden verklagt, nachdem ihr Feld durch Pollen von gentechnischen Pflanzen eines anderen Landwirts verunreinigt wurde, wenn gentechnisches Saatgut einer vorjährigen Kultur auf den Feldern, auf denen im Folgejahr keine gentechnischen Sorten angebaut wurden, keimte und selbst dann, wenn die Bauern zwar nie Monsantos Saatgut-Vertrag unterschrieben hatten, aber trotzdem das patentierte Pflanzensaatgut aussäten." - deutsche Übersetzung von Barbara Schiller im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

Der Fall Schmeiser

Wesentlich ungünstiger für Monsanto verlief eine Klage in Kanada. Dort entschied der kanadische Soupreme Court 2004 zwar zugunsten Monsantos, der Bauer Percy Schmeiser wurde jedoch von jeglicher Zahlung freigesprochen.

Percy Schmeiser ist seit Jahren konventioneller Rapsbauer, der nie GVO angebaut hat und dies auch nicht beabsichtigt. Von Monsanto wurde er verklagt, weil die Ermittler Monsantos in Schmeisers Feldern "Roundup Ready"-Raps gefunden haben wollen. Schmeiser versicherte dem Gericht, dass er niemals Saatgut des Konzerns angebaut habe und seine Felder durch Pollenflug kontaminiert wurden, weswegen er nicht einsehe, dem Konzern Lizenzgebühren zu zahlen. In erster Instanz verlor Schmeiser und wurde zu einer Schadensersatzzahlung an den Konzern verurteilt. Aber Schmeiser gab nicht auf. Er verklagte nun seinerseits den Konzern. Schließlich seien seine Felder verunreinigt worden, weswegen Monsanto Strafzahlungen an die konventionellen Bauern leisten müsste.

In der letzten Runde wurde Schmeiser dann zwar von Zahlungen frei gesprochen, aber dennoch fiel das Urteil zu Gunsten Monsantos aus. Denn das Gericht kam zu der Auffassung, dass der Anbau von Pflanzen, die patentierte Gene enthielten und nicht lizenziert sind, Monsanto zu Ansprüchen berechtigt. Dass Schmeiser nicht zahlen muss lag daran, dass er keinerlei Profite mit dem "Roundup Ready"- Raps erzielt hat, sondern die Profite immer gleich waren, egal ob konventioneller Raps oder GVO und die nicht wissentlich angepflanzten GVO zu keiner Gewinnsteigerung führten.

Konsequenzen

Monsanto hat somit Pflanzen eingeführt, die sich ungehemmt ausbreiten können, denn es ist nicht möglich, den Pollen der GVO aufzuhalten. Gegenüber den Landwirten braucht Monsanto nicht zu haften, stattdessen werden Bauern dem Konzern regelrecht ausgeliefert: Sie sollen Lizenzgebühren für Pflanzen zahlen, die sie gar nicht auf ihren Feldern haben wollen. Dieser Fall zeigt zum einen, wohin ein uneingeschränktes Patent im Bereich der grünen Gentechnik führen kann. Zum anderen zeigt er, wie Bauern in eine noch nie da gewesene Abhängigkeit geführt werden und wie ein Konzern brutal sein Produkt durchzusetzen versteht.
Angesichts dieser Tatsache ist es bestenfalls als unglaublich naiv zu bezeichnen, wenn Politiker und einige Vertreter der Bauernverbände in Deutschland vom Segen der GVO reden. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung Gesetze zum Schutz der Bauern erlassen hat, um die schlimmsten Auswüchse zu verhindern, die derzeit die US-Bauern nahezu rechtlos gegenüber Monsanto machen, fordert Katherina Reiche von der CDU diese "behindernden Sonderauflagen" wieder abzuschaffen. Damit kommt die CDU/CSU sicher einem Konzern wie Monsanto entgegen, liefert dafür aber deutsche Bauern an den Konzern aus. Wie Katherina Reiche zu dem Ergebnis kommen kann, dass:
"Die weltweiten Erfahrungen und auch der im letzten Jahr in Deutschland durchgeführte Erprobungsanbau zeigen, dass ein ungestörtes Nebeneinander von konventionellem, ökologischem und gentechnischem Anbau möglich ist."

wird wohl ihr Geheimnis bleiben, denn gerade der Fall Schmeiser, der zu keiner Zeit GVO anbauen wollte und dennoch nicht nur solche Pflanzen auf seinem Feld vorfand, sondern obendrein auch noch auf Schadensersatz verklagt wurde, zeigt, dass eine Gesetzgebung, die Bauern schützt, dringend notwendig ist. Dies gilt insbesondere für Öko-Bauern, die, wenn ihr Feld kontaminiert wurde, ihre Ernte nicht mehr verkaufen können. Vielleicht sollte Frau Reiche sich erst einmal über derzeitige Lage in den USA informieren und vielleicht sollte sie sich dabei nicht auf die Auskünfte von Monsanto verlassen.


Weiter führende Links zum Thema:

www.centerforfoodsafety.org
www.agribusinesscenter.org/headlines.cfm?id=743
www.cbc.ca/stories/2004/05/21/canada/schmeiser_monsanto040521
www.cbc.ca/news/background/genetics_modification/percyschmeiser.html
www.percyschmeiser.com
www.monsanto.com
news.bbc.co.uk/1/hi/business/4153635.stm
www.thejakartapost.com/yesterdaydetail.asp?fileid=20010629.A06
www.i-sis.org.uk/index.php
www.isaaa.org
www.cducsu.de/section__2/subsection__1/id__11433/Meldungen.aspx
www.abl-ev.de


Bildnachweis: Bild © newsatelier, unter Verwendung von Material von photocase.de


Diskutieren Sie zu diesem Thema im newsatelier-Forum.


Hauptseite Wissen