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Grippeviren - eine ständige Bedrohung
04.12.2003
(MF) Seit langem warnen Experten vor einer neuen Pandemie (seuchenartige, weltweite Epidemien), ausgelöst durch Influenzaviren (Grippeviren). In den letzten Jahren machte besonders der ostasiatische Raum mit neuen Influenzaerregern von sich reden. Doch nicht nur aus diesem Raum droht Ungemach. Auch in Europa könnte ein neues Influenzavirus entstehen, mit verheerenden Folgen.
Im Inneren des Virus sind seine genetischen Segmente zu finden.
Die Oberflächenproteine benötigt das Virus zum einen, um in die Wirtszelle zu gelangen, und zum anderen nach der
Vervielfältigung innerhalb der befallenen Wirtszelle, um diese wieder verlassen zu können. Bei einer Punktmutation können
innerhalb der genetischen Segmente Proteine neu codiert werden. Betrifft die Punktmutation einen Genabschnitt, der die
Außenproteine betrifft, so verändert das Virus sein Aussehen (Antigen-Drift) und wird vom Immunsystem nicht mehr erkannt.
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Das Grippevirus ist deshalb besonders gefährlich, weil ihm mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sein Gesicht schnell und effizient zu verändern. Diese Eigenschaft erklärt sich aufgrund der genetischen Ausstattung des Virus.
Das Erbmaterial der Influenzaviren besteht aus der Ribonukleinsäure (RNA), welche in kurzen Segmenten vorliegt. In diesen Segmenten sind die Proteine des Virus codiert. Zwei Proteine sind besonders wichtig für die Erkennung des Virus durch das Immunsystem, da diese Proteine in die Außenhülle des Virus eingebaut werden. Bei der Vermehrung des Virus in einer Wirtszelle werden diese kurzen Segmente neu produziert. Dabei kann es zu sog. Punktmutationen kommen. Diese Punktmutationen werden nicht repariert, sondern bleiben bei dem auf diese Art neu entstandenen Virus im Erbgut codiert. Betrifft die Punktmutation die Proteine, die in die Außenhülle des Virus eingebaut werden, ist das neue Virus für das Immunsystem zunächst einmal nicht als solches erkennbar, das Virus schleicht sich vor dem Immunsystem gewissermaßen davon. Genetiker sprechen in diesem Falle von einem Antigen-Drift. Die Punktmutationen sind typisch für diese Klasse von Viren und macht sie deswegen so gefährlich:
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Sie erscheinen immer wieder in einem neuen Gewand und werden vom Immunsystem nicht als solche erkannt, ein an einem solchem Virus Erkrankter, der bereits eine Influenzainfektion überstanden hat, erkrankt erneut, weil das Virus sein Immunsystem überlistet hat.
Als ob diese Verwandlungseigenschaften noch nicht genug wären, gibt einen zweiten Mechanismus, der Influenzaviren extrem
gefährlich macht.
In den letzten Jahren tauchten neue gefährliche Stämme besonders im ostasiatischen Raum auf. So rechneten Fachleute 1997
mit dem Schlimmsten, als in Hongkong achtzehn Menschen an einem Vogelgrippevirus erkrankten und sechs davon starben.
Glücklicherweise hatte sich der Erreger jedoch nicht so weit entwickelt, dass er von Mensch zu Mensch übertragen werden
konnte. Durch konsequentes Schlachten von über einer Million Federtiere konnte eine drohende Epidemie verhindert werden.
Bereits 1972 konnten Wissenschaftler klären, dass Influenzaepidemien häufig von augenscheinlich gesunden Wasservögeln
ausgehen. Zunächst einmal sind die Erreger, die z. B. in Wildenten, Möwen und anderen Küstenvögeln leben, für den Menschen
vollkommen harmlos. Diese Erreger werden über den Kot dieser Tiere ausgeschieden. Da es sich häufig um Vögel handelt, die
weite Strecken zurücklegen, werden diese Erreger großräumig verteilt. Dabei kann es geschehen, dass die Viren in einen
sog. Zwischenwirt gelangen. Ist der Zwischenwirt bereits mit menschlichen Influenzaviren infiziert, kann das Erbgut der
beiden Virenstämme (Vogelvirus und Menschenvirus) neu kombiniert werden, es entsteht ein vollkommen neuer Stamm, gegen den
das menschliche Immunsystem nicht gerüstet ist. Häufig handelt es sich bei den Zwischenwirten um Haustiere. Hausschweine
sind besonders gefährliche Zwischenwirte, da ihre Zellen sowohl dem Humanvirus als auch dem Wildvogelvirus besonders
günstige Bedingungen bieten. Kommt es zu einer Kombination der beiden Viren und leben Menschen mit den Schweinen auf
engstem Raume zusammen (wie es in Ostasien häufig vorkommt), kann das neu entstandene Virus leicht auf den Menschen
überspringen. Auch werden dort Hühner auf engstem Raume gehalten und leben mit Menschen eng zusammen, weswegen auch Hühner
gefährliche Zwischenwirte sein können. Diese neu zusammengestellten Eigenschaften werden als Antigen-Shift bezeichnet, denn
das Virus trägt nun völlig neue Antigene. Der Antigen-Shift ist unter den Experten am meisten gefürchtet, weil auf diesem
Wege ein Erreger auftreten kann, der vollkommen neue Eigenschaften besitzt. Nach bisherigen Beobachtungen ereignet sich ein
solcher Fall mehrfach pro Jahrhundert.
Kommt es in einem Organismus zu einer Doppelinfektion mit zwei Viren des selben Typs, so können diese beiden miteinander kombinieren (Antigen-Shift).
Dieses Phänomen ereignet sich nach bisherigen Beobachtungen mehrmals pro Jahrhundert.
Entsteht ein solcher Erreger in einem Zwischenwirt und springt dieser auf den Menschen über, kann dies zu einer neuen Pandemie führen. |
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Diese extreme Fähigkeit der Wandelbarkeit des Influenzavirus ist das große Problem, weil es auf diese Art leicht die sog. Grippeschutz-Impfungen unterläuft. Jedes Jahr werden neue Impfstoffe benötigt. Die WHO wählt jedes Jahr drei Stämme aus, die am häufigsten in der Bevölkerung im Umlauf sind und am wahrscheinlichsten eine Pandemie auslösen könnten. Die Impfstoffe werden aus Bestandteilen der Viren gemixt, die selber nicht infektiös sind. Die dazu benötigten Viren werden in Hühnereiern ausgebrütet, aufgereinigt und inaktiviert. Gegen die dem Menschen verabreichten Bestandteile kann das menschliche Immunsystem Antikörper ausbilden, eine Infektion schnell erkennen und entsprechend bekämpfen. Schon aus diesem Grunde ist eine Grippeimpfung sinnvoll, denn je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger kann sich ein Influenzavirus ausbreiten.
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Studien haben gezeigt, wie wichtig diese Impfungen sind. Geimpfte Ärzte und Pfleger erkranken an einer Infektion nicht, können aber zum Überträger werden und damit Patienten oder Heimbewohner infizieren. Gleiches gilt für Lehrer und Schüler etc. Aus diesem Grunde sollte die Bevölkerung weitgehend durchgeimpft werden.
Allerdings darf die Impfung nicht darüber hinweg täuschen, dass wir gegen neue Erreger nicht geschützt sind, aber immerhin kann den "gängigen" Erregern Einhalt geboten werden, was auch schon einen kleinen Schutz darstellen kann.
Auch in Europa kann ein neuer und gefährlicher Erreger entstehen. Als Beispiel sei hier die Geflügelpest, die in diesem Jahr in den Niederlanden, Belgien und Deutschland auftrat, erwähnt. Die Bezeichnung Geflügelpest ist leicht irreführend: Denn bei den Erregern dieser Infektionskrankheit bei Geflügel handelt es sich um ein, für den Menschen zunächst ungefährliches, Influenzavirus vom selben Typ, wie der, der die menschlichen Grippepandemien verursacht. Forscher haben die Geflügelpest sehr genau beobachtet. Denn die Geflügelpest hat in den Niederlanden einen Toten gefordert und rund 80 Fälle von Bindehautentzündungen ausgelöst, sowie drei weitere Sekundärinfektionen, bei denen das Virus vermutlich von Mensch zu Mensch übertragen wurde. Dies legt die Vermutung nahe, dass das Geflügelpestvirus dabei ist, sich an den Menschen zu adaptieren. Glücklicherweise trat die Geflügelpest in den Niederlanden erstmals auf, als die Grippezeit weitgehend zu Ende war.
Dadurch war die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Doppelinfektion (Hühnerpest- und Grippeerreger in einem Organismus) kommt und damit zu einem Entstehen neuer Varianten, sehr viel geringer.
An dieser Stelle wird deutlich, dass die Hühnerpest nicht nur einen enormen ökonomischen Schaden darstellt, sondern auch für den Menschen schnell zu einer großen Gefahr werden kann, und wie wichtig die oft unverstandenen konsequenten Schlachtaktionen durch die Regierungen waren.
Es wird aber auch klar, wie wichtig die Grippeimpfung für die Bevölkerung ist. Je größer der Anteil der geimpften Bevölkerung ist, desto geringer wird die Gefahr einer Doppelinfektion und damit das Entstehen eines neuen gefährlichen Erregers.
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Im Jahre 412 vor unserer Zeitrechnung beschrieb der griechische Arzt Hippokrates wohl zum ersten Male eine Influenza-Epidemie. Eine Grippe-Pandemie wurde erstmals 1512 belegt, sowie 1890 und 1900. Die "Spanische Grippe" 1918/19 forderte mehr als 20 Millionen Tote. Weltweit erkrankten schätzungsweise rund 500 Millionen Menschen.
Die "asiatische Grippe" 1957/58 forderte eine Million Tote. Die "Hongkong-Grippe" 1968/69 forderte weltweit 800.000 Tote, darunter in Deutschland zwischen 20.000 und 30.000. Viele Opfer forderte auch die "Schweizer Grippe" 1976 sowie die "Russische Grippe" von 1977.
Experten rechneten bei der "Vogel-Grippe" 1997 mit ähnlich schlimmen Ausmaßen. Das schnelle Reagieren der chinesischen Behörden und deren konsequentes Schlachten von über einer Million Federtieren konnte eine neue Epidemie verhindern.
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