Tödliches Cäsium sowjetischer Herkunft vermisst                

06.07.2002

Mehrere Kisten mit puderförmigen Cäsium 137, eine stark radioaktive Substanz, sind in der ehemaligen Sowjet Union verloren gegangen. Würden diese Kisten in die Hände von Terroristen gelangen, so könnten daraus sog. "dirty bombs", schmutzige Bomben, hergestellt werden. Bei diesen Bomben wird konventioneller Sprengstoff benutzt, um das radioaktive Material großflächig zu verbreiten und die Fläche dauerhaft zu kontaminieren. Bei einer Explosion einer solchen Bombe müsste eine Stadt evakuiert werden und könnte sogar dauerhaft unbewohnbar sein.

Die USA engagieren sich derzeit mit rund 25 Mill. Dollar, um die verloren gegangenen Kisten wieder zu finden. Das Auffinden der Kisten wurde zu einem vorrangigen Ziel erklärt.

Berichte in den Medien, dass das Cäsium ursprünglich in geheimen sowjetischen Agrarexperimenten auf Äcker und Felder gesprüht wurde entsprechen jedoch nicht der Wahrheit, so Melissa Flemming, Sprecherin der Internationalen Atom- und Energieaufsichtsbehörde (IAEA) in Wien, die die Wiederauffindung der Kisten mitkoordinieren. Die Kontaminierung von Ackerland und die damit verbundene Freisetzung radioaktiver Strahlung, sowie einer sehr wahrscheinlichen Verstrahlung von Menschen hätte nicht unbeobachtet vorgenommen werden können.

Allerdings ist die Wahrheit nicht viel besser. Das Cäsium wurde in gut beschrifteten Kisten aufgewahrt. Sie wurden als Quellen für Gamma-Strahlung benutzt, um Getreide durch Bestrahlung keimfrei zu Lagern, meint Aberl Gonzales, Direktor für Strahlenschutz und Entsorgung der IAEA. Die so gewonnene Gamma-Strahlung wurde benutzt, um Mutationen zur Verbesserung des Saatgutes zu erzeugen. Da das Cäsium ausschließlich zu diesen Zwecken genutzt wurde, verblieb es als mobile Strahlenquelle für Gamma-Strahlung. Infolgedessen existieren diese Kisten bis heute.

Glossar

 radioaktiv : als radioaktiv werden Atomkerne bezeichnet, die spontan, also ohne äußere Einwirkung, zerfallen und die dabei entstehende Energie in Form von Strahlung freisetzten

Kontaminierung : oberflächige Verunreinigung oder Verseuchung von Menschen, Tieren, Gewässern, Böden etc. mit giftigen oder strahlenden Stoffen

Gamma-Strahlung : Hochenergetische Strahlung, die u. a. durch radioaktive Zerfallsprozesse freigesetzt werden kann. Die Wellenlänge liegt unterhalb 5 x 10-11 m. Gamma-Strahlung ist in höheren Dosen für den menschlichen Körper schnell tödlich und in kleinen Dosen krebsauslösend, da durch Gamma-Strahlung das Erbgut nachhaltig geschädigt bzw. verändert wird

Mutationen : Vererbbare Veränderung des Erbguts; Mutationen können sowohl natürlich vorkommen, als auch künstlich erzeugt werden

Halbwertszeit : Die Zeit in der die Hälfte des radioaktiven Materials zerfallen ist. Bsp.: 100 g Cäsium 137 sind nach 32 Jahren zur Hälfte zerfallen, es sind also noch 50 g des Materials übrig und nach weiteren 32 Jahren verbleiben 25 g Cäsium 137

Curie : eine nach Marie und Pierre Curie benannte Maßeinheit für die Radioaktivität eines Stoffes,

1 Curie entspricht der Menge radioaktiver Kerne, in der 3,71010 Zerfälle pro Sekunde eintreten

 

Da Cäsium 137 eine Halbwertszeit von 32 Jahren hat, sind diese Quellen noch heute hochradioaktiv. Auch ist nicht bekannt, wie viele solcher Kisten existieren. Bekannt ist nur, das dass unter dem Namen "Kolos" betriebene Programm einen enormen Umfang hatte.

Somit sind diese Kisten ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor, denn die Strahlung einer solchen Kiste beträgt 3500 Curie.

Zum Vergleich: eine Cäsium-Quelle ging in einem Krankenhaus in Goiania, Brasilien, 1987 verloren. Vier Menschen wurden sofort getötet und mehrere Duzend verstrahlt. Die Strahlung betrug lediglich einige hundert Curie.

Die Kisten waren lediglich auf LKWs unter gebracht, die nach dem Untergang der Sowjetunion zerstreut wurden, so dass die äußerst lukrative Fracht überall sein kann, fürchten Experten. Eine Russisch-US-Amerikanische Zusammenarbeit von Experten der IAEA wollen die Suche nach Hinweisen in den nächsten Wochen vorantreiben..


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