Die gefährlichen und zweifelhaften Geschäfte mancher Kommune
Trotz klammer Kassen: Hände weg von Cross - Border - Leasing - Geschäften

11.05.2003

Der US-Finanzmarkt lockt seit Mitte der 90er-Jahre mit US-Lease-Transaktionen. Für 99 Jahre können eigens und nur dafür gegründete US-Trusts kommunale Einrichtungen, wie etwa Müllverwertungsanlagen, Kläranlagen, Messehallen, Wasser- und Abwasserleitungen, Schienenfahrzeuge u.a. "mieten" und im gleichen Moment mieten dann die Kommunen von diesem neuen Eigentümer ihre eignen Anlagen zurück. Da gibt es Rahmenverträge, Hauptmietverträge, Rückmietverträge, Darlehensverträge, Trustverträge zwischen US-Eigenkapitalinvestor und US-Trust und Schuldbeitrittsregelungen. Am Trust sind meist mehrere Gesellschafter beteiligt, zumindest der US-Investor und die Banken. Ein Trust entsteht, indem der Begründer das Eigentum an einer Sache an einen Anderen überträgt mit der Maßgabe, dass dieser es zum Nutzen eines Dritten verwaltet. Mit der Schaffung des Trusts geht das Eigentum am Trustvermögen vom Begründer auf den Trust über. In einem parallel abgeschlossenen Vertrag mietet die Kommune die Anlage wieder zurück. Ein "Rückkaufoption" macht es möglich, dass die Kommune den Vertrag z.B. nach 25 oder 30 Jahren beenden kann. Der US-Trust hat einen Steuervorteil, von dem er einen bescheidenen Teil der Kommune abgibt. Dies ist der "Barwertvorteil". Diejenigen, die das Ganze arrangieren erhalten eine Provision, welche bis zu 40 % des Barwertvorteils betragen kann. Alles klar?

Barwertvorteil und Moral
Immer mehr Bürger wenden sich gegen den "Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge". Die Bürger haben zurecht Bedenken wegen den Unwägbarkeiten während der langen Laufzeit und beurteilen die meist über 1000 Seiten umfassenden und in kompliziertem Vertragsenglisch abgefassten Vertragswerke als nicht mehr durchschaubar. In der Sendung Monitor meinte die Moderatorin mit Hinweis auf die leeren Kassen der Kommunen: "Das Geld fehlte, aber nicht der Leichtsinn, wenn es darum geht, Knete zu machen". Der bayerische Innenminister Günther Beckstein meint, dass die "riskanten Steuerkonstruktionen" für die Kommunen "unkalkulierbar" seien. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Schäuble lässt sich von der "Eigenverantwortung der Kommunen" leiten, was immer er auch darunter verstehen mag. Der Verweis auf die "Eigenverantwortung" ist zu wenig; es bedarf endlich klarer Regelungen.

Fragen über Fragen
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Karl Diller wurde gefragt, ob seitens der Bundesregierung die Absicht bestehe, gesetzliche Maßnahmen im Bereich des Cross-Border-Leasings (Verkauf von öffentlichen Einrichtungen und gleichzeitiges Rücknutzen durch Leasingvertrag mit dem außerdeutschen Käufer) zu ergreifen. Seine Antwort: Bei den angesprochenen "Cross-Border-Leasing-Konstruktionen" gehe es um sehr spezielle Finanzierungsstrukturen. Es werde verkauft, zurückgeleast und am Ende der Laufzeit wieder zurückgekauft. Damit die US-Investoren die gewünschten Steuerstundungseffekte nach den Bestimmungen des US-Steuerrechts erzielen können, müsse dem Leasing-Geschäft ein echter Geschäftszweck zugrunde liegen.
Zu Recht wird von "verkaufen" und "zurückkaufen" gesprochen, denn nach amerikanischem Steuerrecht geht kommunales Eigentum auf ein amerikanisches Unternehmen über.
Es ist erschreckend, was dennoch vielerorts den Bürgern vorgegaukelt wird. Entscheidend ist nämlich ausschließlich das amerikanische Steuerrecht, das im Hinblick auf diese langen Laufzeiten diesen Vorgang wie eine Eigentumsübertragung betrachtet, auch wenn ein Leasingvertrag kein Kaufvertrag ist. Nur bei einem "Eigentumsübergang" ist es dem Investor gestattet, den Steuervorteil zu kassieren. Nach 25 bis 30 Jahren können dann die Kommunen ihr Eigentum quasi wiedererwerben (Beendigungsoption) und dann wird ein "Kaufoptionspreis" fällig.

Risiken über Risiken
Der Form nach handelt es sich zwar um Mietverträge, dem Inhalt nach aber wegen der langen Laufzeiten um Eigentumsübertragungen, was für die Kommunen mit erheblichen Risiken verbunden sein kann. Dr. Jürgen Schacht, Experte für amerikanisches Recht meint: "Die deutsche Kommune hat das ganze Vertragsdurchführungsrisiko, hat eigentlich allen Schlamassel am Halse, wenn es mal kracht in diesem Vertrag, während der amerikanische Investor gar keine solchen Risiken trägt und auch noch im Staat New York den Gerichtsstand platziert hat." Was auf den ersten Blick wie eine gefahrlose "wundersame Geldvermehrung" ohne wirtschaftliche Gegenleistung erscheint, birgt demnach für die Kommunen nicht unerhebliche Risiken, die auch Schadensersätze auslösen könnten. Ein "hohes Risiko" sieht das Regierungspräsidium z.B. im "Fall Schwäbisch Gmünd", falls die Stadt, wie anscheinend beabsichtigt, die erzielten Gelder nicht dem Bereich zufließen lassen sollte, aus dem sie erzielt wurden, nämlich dem Kanalnetz. Die Mittel dürfen nur, so das Regierungspräsidium, innerhalb des Bereichs Abwasser verwendet werden. Ein besonders hohes Risiko dürften für die Kommunen die bereits angedrohten gerichtlichen Klagen der Bürger sein, die sich dagegen wenden, dass diese Gelder zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden.

Gerichtsstand Amerika
Bedenklich wird es, wenn in der Literatur ausgeführt wird, dass für mögliche Risiken aus all diesen Finanzierungskonstruktionen ausschließlich die Kommune haftet und nicht der Gebührenzahler. Wer ist denn die Kommune? Es sind die Bürger und Steuerzahler, die letztlich die Dummen sind, wenn diese Gratwanderungen daneben gehen. Apropos Gratwanderung: Streitigkeiten sind in Amerika auszutragen, denn dort befindet sich der Gerichtsstand. Im amerikanischen Recht gibt es aber kein bürgerliches Gesetzbuch, wie wir es kennen. Das Recht besteht aus einer Sammlung von Urteilen, welche dann entsprechend angewandt werden (case law).

Erzielte Millionen - keine allgemeinen Deckungsmittel
Maßgebliche Fachleute sind, wie der Bund der Steuerzahler auch, der Ansicht, dass es sich bei diesen Leasing-Transaktionen um keine Mittelbeschaffung zum allgemeinen Haushaltsausgleich und zum Löscherstopfen handeln kann. Der Nettobarwertvorteil aus all diesen Transaktionen steht nämlich dem Gebühren- bzw. Beitragszahler zu, der mit seinen Gebühren und Beiträgen diese Einrichtung bezahlt hat. Wie diese Mittel zu behandeln sind, damit haben sich in vergleich- und übertragbaren Fällen bereits die Verwaltungsgerichte beschäftigt.
Es gibt auch noch weitere Fragen, z.B. wie ist bei solchen Geschäften mit den vom Land gewährten Zuschüsse zu verfahren?

Fazit: US-Cross-Border-Lease ist keine Lösung für kommunale Finanzprobleme.

(Quelle: "Der Steuerzahler" 05/2003 - Mit freundlicher Genehmigung des Bundes der Steuerzahler)

 

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