Architekten bauen auf Kunst statt auf Kosten
Studie: Was Bauherren von ihrem Planer wirklich erwarten

[05.10.2002]

(MS) - Deutschlands Architekten bauen häufig am Kunden vorbei: Sie ignorieren die Wünsche der Bauherren nach Kosteneinsparungen und Termintreue zu Gunsten von Design und gestalterischer Freiheit. Das ergab eine Studie, die  von der Mercator-Universität in Duisburg durchgeführt wurde.
  

"Architekten wissen, was ihre Kunden wollen, erfüllen diese Wünsche aber bewusst nicht", zog Professor Dr. Markus Voeth vom Lehrstuhl für Marketing der Gerhard-Mercator-Universität das Fazit aus einer Befragung von deutschen Planern und gewerblichen Bauherren. Denn während es für den Investor bei einem Bürobau, einem Wohngebäude oder einer Kulturstätte vor allem auf ein günstiges Preis-/Leistungsverhältnis, auf die Einhaltung des Bezugstermines und die Verwendung langlebiger und unproblematischer Baustoffe ankommt, stehen für Architekten Kreativität, Design und Repräsentativität des Bauvorhabens häufig im Vordergrund. "Das ist eine Fehleinschätzung des Kunden", mahnt Marketing-Fachmann Vorht. Denn bei weiter verhaltener Nachfrage im Baubereich werde ein kundenorientiertes Marketing auch für Architekten immer wichtiger, um die Auftragslage zu sichern. Dabei komme es immer weniger auf den guten Namen eines Büros und auf Referenzobjekte an als auf modernes Bau-Management. Architekten, die vor allem auf Wirtschaftlichkeit, Kostenkontrolle und Termintreue setzen, haben in Zukunft gute Auftragschancen, so Voeth.

Vor allem von einer besseren Kooperation zwischen Bauzulieferern, Planern und Projektmanagern können kostenbewusste Bauherren  profitieren. Die Industrie stelle den Planern zwischenzeitlich wertvolle Hilfen zur Verfügung. Perfektionierung der Planung, Ermittlung von Einsparpotentialen während des Entwurfes, die Entwicklung neuer zeitsparender Bautechniken und modularer Systeme sowie die strikte Einhaltung von Terminen seien entscheidende Faktoren, um potentielle Kunden zu überzeugen. Und darüber sollten die 170 000 deutschen Planer und Architekten genauso sprechen wie über Kreativität und Individualität. "Es geht dabei nicht unbedingt um den Einsatz billiger Materialien, sondern um solide Baustoffe, die ein Leben lang halten ohne nach einer geringen Verfallszeit teuer entsorgt werden zu müssen."

Dem entgegen zu halten ist, dass gute Architektur keinesfalls eine Frage der Baukosten ist sondern eine Frage der entwerferischen Qualität und des Wissens um den Einsatz der richtigen Techniken, die jedoch in der bundesdeutschen Archtektenausbildung so gut wie nicht zum Lehrstoff gehören. Dies liegt vor allem an der Qualität vieler Lehrender an den Hochschulen, die oft eine reine Hochschulkarriere auszeichnet und die keinerlei Kontakt zum realen Baugeschehen haben. Es scheint sich erst in den letzten Jahren ein Trend dazu auszubilden, dass auch Praktiker an die Hochschulen gehen.

Vor allem die sogenannten Stararchitekten und solche, die sich gern selbst so bezeichnen begehen häufig große Sünden in der Auswahl der teuersten Baustoffe, unwirtschaftlicher Grundrisse,  und ständiger Detailänderungen während der Bauphasen. Nicht zuletzt dieser Fakt führt zu Kostenexplosionen vor allem bei öffentlichen Bauten. Die starren, vorgeschriebenen Ausschreibungsverfahren der öffentlichen Hand tragen durch die best-price-policy entscheidend dazu bei. Von der Korruption, die bei öffentlichen Bauten die Regel ist, ganz zu schweigen.  Erfahrungen mit vergleichbaren Bauwerken von Großunternehmen zeigen auf, daß diese oft zu unter fünfzig Prozent der Kosten öffentlicher Bauvorhaben erstellt werden, und dieses wohlgemerkt bei wesentlich höherer Qualität. Der Grund liegt darin, dass Privatunternehmen wesentliche freier in der Vergabe der Bauaufgaben handeln können und sich des Sachverstandes von Projektsteuerern bedienen.

Insbesondere der Einsatz von Projektsteuerern, das sind meist hochspezialisierte Architekten und Bauingenieure, deren Erfahrungen vor allem im Bereich der Umsetzung von Bauaufgaben und im Management liegen, können hier das fehlende Bindeglied zwischen den meist nicht vom Fach stammenden Bauherren und den Planern und ausführenden Unternehmen bilden. Die relativ geringen Honorare der Projektsteuerer erwirtschaften diese meist in mehrfacher Höhe wieder für den Bauherren ein. Die nicht direkt in Geld messbaren Vorteile wie Termintreue, Optimierung der Grundrisse und der Baustoffe, die Ausführungsqualität und die Auswahl der richtigen Unternehmen bedeuten enorme weitere Vorteile für den Bauherren.

Leider gibt es wenige Projektsteuerer, die bereit sind, für den Einfamilienhausbauer tätig zu werden. Die Gründe liegen vor allem in der Unwirtschaftlichkeit eines solchen Projektes für größere Büros und in der nur schwierig zu handhabenden Klientel der Kleinstbauherren, die selten zurück zu halten sind, trotz ihrer Unkenntnis um die Dinge, in den Bauablauf einzugreifen.

„Bauen kommt einer Raubtierdressur im Zirkus gleich“ so ein erfahrener Projektsteuerer. „Wer sich in Unkenntnis der Gefahren in die Manege begibt, kann viel verlieren.“
 

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